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An der Wand im Wohnzimmer hing eine Bleistiftzeichnung des Schlosses von Chillon in der Nähe des Genfer Sees, ein Werk meiner Großmutter im Alter von 19 Jahren, bevor sie die annehmbarere Laufbahn einer Lehrerin einschlug und nie wieder zeichnete.

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals nicht gezeichnet zu haben. Meine Mutter half mir so gut sie konnte mit den anspruchsvolleren Versuchen, aber als ich ins Grundschulalter kam, war ihr Zeichentalent meinen Erwartungen nicht mehr gewachsen. Ich erinnere mich, wie ich frustriert in Tränen ausbrach, als wir beide daran scheiterten, eine Kuh so zu zeichnen, wie ich sie haben wollte.

Die Schule selbst war kein reines Vergnügen; mir schien, dass wir immer zum ungünstigsten Zeitpunkt des Jahres umzogen, und ich landete in „power mechanics“, wo ich jede Minute hasste, denn natürlich waren alle Nicht-Akademiker, die zu dumm sogar für die Kurse in Metallhandwerk waren, schon in den Kunstkursen „abgestellt“. Es war aber ein nützliches Talent im Biologieunterricht, wo ein Freund und ich schnelle und ziemlich kreative Skizzen von mikroskopischen Wasserorganismen für bessergestellte und weniger künstlerisch begabte Klassenkameraden erstellten…für 50 Cents das Stück.

Ich sammelte Taschenbücher ihrer Einbände wegen und las sogar den Inhalt. Frank Frazetta hatte den Status eines Halbgottes und war das Objekt Dutzender Pastellzeichnungen. Das war vor den Ballantine-Ausgaben, als seine Bilder nur auf Bucheinbänden erhältlich waren. Jeder Stapel vergammelter Second-Hand-Bücher wurde untersucht. Etwa zur gleichen Zeit musste ich in Drugstores gehen, wo ich niemandem begegnen würde, den ich kannte, um Barry Smiths „Conan“ oder Bemi Wrightsons „Swamp Thing“ zu bekommen, Comics für Kinder, für die ich als Teenager schon zu erwachsen war.

Es war etwa zu der Zeit, dass ich zum ersten Mal den Herrn der Ringe las, zuerst Die zwei Türme , dann Die Rückkehr des Königs . Anscheinend blieb jeder, der den ersten Band anfing, darin stecken, weil es der am häufigsten ausgeliehene war. Ich musste monatelang warten, bevor ich ihn bekam. Wirklich Feuer fing ich aber durch die Kalender, die mir zeigten, dass es illustriert werden konnte . Ich ging die Hildebrandt-Kalender durch und entwarf meine eigenen Versionen der gleichen Szenen. Glücklicherweise hat nichts davon überdauert, obwohl irgendwo unter einem Bett eine staubbedeckte Schachtel steht…

Ein Jahr nach meinem Schulabschluss war ich in einem College in Straßburg (Frankreich), und das Jahr darauf in der Ecole des Arts Décoratifs.

Das erste Jahr dort verbrachte ich damit, nicht viel zu verstehen, das zweite damit, uneins zu sein mit dem, was ich verstand, und das dritte damit, weg zu wollen, obwohl ich rückblickend zugebe, dass ich das, was ich an Klarheit besitze, der Geduld des Illustrations-Professors verdanke.

Abgesehen davon waren meine ersten Jahre in Europa eine ständige Ãœberdosis jeglicher Art von Kunst und Architektur, da alles sowohl antik als auch neuartig war. Soviel nachzuholen… Zum Glück hat nichts von dem, was ich in diesen Jahren entwarf, überdauert, da ich es gewissenhaft am Semesterende in den Müll beförderte, bevor ich nach Hause fuhr für den Sommerjob, der die Studiengebühren für das nächste Jahr finanzieren würde. Die einzige Ausnahme muss „Der Leutnant des Turms von Barad-Dûr“ gewesen sein, das zwar nicht mein erstes veröffentlichtes Werk war, aber eins der frühesten.

Mir scheint, dass viele meiner frühen Aufträge Alpträume waren – politische Cartoons, Illustrationen für Zeitschriften, Comics, Zeichentrickfilme, Werbung – einen Einbandentwurf siebenmal neu beginnen, Zeichnungen so oft neu anfangen, dass am Ende nichts von mir darin übrig blieb, so dass ich mich fragte, wie zum Kuckuck ich in diesem Beruf gelandet war. Auf dem Dachboden steht ein großer Karton, fest zugeklebt und mit dickem Filzstift beschriftet: NICHT ÖFFNEN (NIEMALS!!!). Nicht, dass ich das Bedürfnis dazu hätte.

Neulich zeigten wir einem Freund das Schloss von Chillon. Es ist nicht schwierig, die Stelle zu finden, wo man in der Zeichnung meiner Großmutter steht. Ich frage mich, ob wir jemals unsere eigenen Entscheidungen treffen – so viele Jahre und Meilen, nur um in einem Bild zu enden, das die ganze Zeit an der Wand hing.

Ãœbersetzung eines Textes aus “Myth & Magic“, Harper Collins Publishers, 2001.

Deutsche Ãœbersetzung von “Mayken”. Danke !